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Rezension von Regina Károlyi (Literaturzeitschrift im Internet 06/2009) Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik Mehr als eine Abbildung der Geschlechterrollen des 19.
Jahrhunderts Zwischen Wagners Werk und "seinen Frauen" besteht offensichtlich ein enger Zusammenhang, wie die Autorin des hier besprochenen Buches nachweist. In chronologischer Reihenfolge untersucht sie die Einflussnahme von Wagners Liebesleben auf seine Opern. Eingangs lernt der Leser Wagners typische Musiksprache kennen, insbesondere anhand der Ausarbeitung von Motiven und dem Leitmotiv, womit Wagner bekanntlich recht einzig dasteht. Es schließt sich der Trend von "Rienzi" zum "Fliegenden Holländer" an, geprägt von der sich entwickelnden Beziehung zu Minna Planer, die schließlich seine Ehefrau werden und enorme Höhen und Tiefen mit ihm erleben und erleiden sollte. Der Zerfall der Ehe kündigt sich schon im "Tannhäuser" an, einer seinerzeit wegen ihres Bekenntnisses zur Sinnlichkeit sehr umstrittenen Oper. Während in "Lohengrin" Elsa und Ortrud für zwei unterschiedliche Frauentypen stehen, die durchaus dem Umfeld im 19. Jahrhundert entstammen, in dem erste feministische Tendenzen aufkamen, wie die Autorin detailliert aufzeigt, zeichnet Mathilde Wesendonck, Wagners verheiratete, unerfüllte Liebe, für "Tristan und Isolde" verantwortlich - eine Oper, in deren Zentrum eine ebensolche Liebe steht, und mittels derer sich Wagner innerlich zu befreien versuchte. Auch für die "Meistersinger von Nürnberg" hat Wagner sich Mathildes als Muse bedient. Der sehr vielschichtige "Ring", Wagners gewaltige Tetralogie, zeigt der Autorin zufolge wesentliche Aspekte von Wagners Geschlechterverständnis auf: die bedingungslos liebende, den Mann damit erlösende, ihrem eigenen Untergang ins Auge schauende und trotzende Frau gegenüber dem männlichen Helden, der unbeirrt seinen Weg gehen muss; Passivität und still duldendes Leiden gegenüber Aktivität und prominenter Größe. Auch Wagners Rassismus, vor allem Antisemitismus, kommt zur Sprache und äußert sich vor allem im Kapitel über "Parsifal", in dem Kundry, wiederum als Frau, das verführerisch-exotisch-jüdische Element verkörpert. Eva Rieger hat sich wissenschaftlich mit der Ehe Wagners mit Minna Planer befasst, und ihre profunde Kenntnis der Materie, Wagners Musik eingeschlossen, äußert sich in diesem Buch sehr gründlich. Wagners Ansprüche an "seine" Frauen, seine sexuellen Nöte und Bedürfnisse, aber auch die emotionale Komponente, die Abhängigkeit von einer ihn umsorgenden und verehrenden, sich wie eine Elisabeth oder Senta aufopfernden Frau werden ausführlich betrachtet. Vor allem aber fesselt der anhand der Lektüre tatsächlich bestens ersichtliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Lieben Richard Wagners - oder auch den Phasen der "Bedürftigkeit" dazwischen oder in ungeklärten Verhältnissen, wie es aufgrund der Ehe zwischen Cosima und Hans von Bülow auch dann noch der Fall war, als Cosima bereits ein Kind von Wagner geboren hatte - und seinen Opern, die so überraschend deutlich seine für jeden Lebensabschnitt charakteristische und doch im Großen und Ganzen seinem Jahrhundert wie seiner persönlichen Einstellung geschuldeten Sichtweise des Geschlechterverhältnisses widerspiegeln. Zugleich lernt der Leser auch die Ausarbeitung anderer Figuren kennen, zum Beispiel Männer wie Mime, Siegfrieds Ziehvater, denen weiblich-weibische Motive zugeordnet werden, die diese Figuren diskreditieren. Auch die Wandlungsfähigkeit von Figuren wie etwa Brünnhilde, der amazonenartigen Walküre, die gänzlich zum wehrlosen, liebenden Weib nach Wagners Gusto wird, gehört zu den Themen. Immer sind diese an Wagners Biografie ausgerichtet, denn auch die Geburt des lange ersehnten Sohnes Siegfried spielt ja in die Oper hinein. Eine ganze Reihe an Notenbeispielen belegt die Aussagen innerhalb der Kapitel, und einmal zeigt eine Bilderfolge an, dass Wagner offensichtlich während seiner Zeit ohne ständig verfügbare Partnerin eine durchaus "fruchtbare" Beziehung zu einem Hausmädchen unterhielt, die sich letztlich auch auf seine Arbeit auswirkte. Dieses
Buch kann allen Wagner- und ganz allgemein Opernliebhabern bestens empfohlen
werden, sensibilisiert es doch für die Umstände, die ganz wesentlich zur
Entstehung und Entwicklung von Wagners Opern beigetragen haben, und es zeigt
klar Parallelen und Widersprüche von Wagners Frauenbild zu dem seiner Zeit auf.
Darüber hinaus ist das Buch in einem angenehmen, kurzweiligen Stil verfasst,
sodass die Lektüre, vom Informationswert ganz abgesehen, schlicht Vergnügen
bereitet. |
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