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Eva Rieger weiß Minna Wagner lebendig darzustellen Von Ulrich
Drüner Über Minna Wagner ist bisher zumeist von Männern geschrieben worden, und deren Urteil war oft eine Verurteilung, bei der der Mann, Richard Wagner, eo ipso freizusprechen war. Es ist deshalb an der Zeit, dass über Minna, ohne Zweifel eine der berühmtesten "Gattinnen" des 19. Jahrhunderts, aus einer anderen Perspektive geschrieben wird. Dabei erliegt die Autorin Eva Rieger zu keinem Zeitpunkt der Versuchung, Richard Wagner im Sinne allzu weit verbreiteter Kolportagetechnik zu "entlarven"; es ist vielmehr festzustellen, dass über ihn selten so ausgeglichen referiert wird. Jede Minna-Biografie ist gleichzeitig eine Teilbiografie Richards, und wenn diese Feststellung hier fast wie eine Einschränkung klingt, ist sofort festzuhalten, dass dies in der Natur der Sache liegt. Wenn beim Leser jedoch manchmal der Wunsch entsteht, noch mehr über Minna und vielleicht etwas weniger über ihren so strapazierten Mann zu erfahren, liegt das daran, dass Eva Rieger ihre Heldin Minna in besonders lebendigen Farben und doch stets ohne jegliches Pathos darzustellen weiß und sie somit wesentlich interessanter erscheinen lässt, als man dies von den "klassischen" Wagner-Biografen gewohnt ist. Die Begegnung mit Minna war für Richard ein Fundamentalerlebnis, wobei zunächst die erotische Komponente außerordentlich stark gewesen sein muss. Rieger schildert mit sehr genauen Zwischentönen, wie daraus eine Abhängigkeit wurde, aus der auch lange nach dem Zurücktreten des rein Erotischen eine Art animalischer Zusammengehörigkeitstrieb verblieb, der bislang unverstanden geblieben ist. Rieger dechiffriert dies psychologisch als ein Grundbedürfnis Wagners, häuslich umsorgt zu sein, mehr noch, einen mütterlichen Schutzwall gegen die Unbill des äußeren Lebens zu haben: "Minna ist sein Fixpunkt, um den sich alles dreht." Dass sich dies nach 1850 änderte, hat man bisher stets auf das künstlerische Unverständnis Minnas zurückgeführt, wofür viele bösartige (erst nach Minnas Tod verbreitete) Äußerungen Richards den Anstoß gaben. Mit diesem Mythos räumt Rieger definitiv auf. Sie schildert detailreich Minnas tiefes künstlerisches Verständnis, das sie aus ihrer schauspielerischen Berufstätigkeit bis in ihre letzten Jahre bewahrt hatte, so dass Minna sagen konnte: "An mir hat er gewiß eine glühende Verehrerin seiner früheren Werke, mir ist als hätte ich sie selbst mitgeschaffen." Dass sie "Tristan und Isolde" nicht mochte, teilte sie mit vielen berühmten Zeitgenossen, wobei Minna allerdings auch schwerwiegende private Gründe ins Feld zu führen hatte. Ehekrach gab es von Anfang an, aber der Scheidepunkt in der Beziehung begann um 1849 mit der Dresdener Revolution: Minna macht ihrem Mann immer schwerere Vorwürfe; die Probleme entstünden, "da Du Dich durchaus nicht nach der Welt, wie sie nun einmal ist frägst, sondern forderst, daß die ganze Welt sich nach Dir richtet und bilden soll". Damit tat sie einen tiefen Blick in die Psyche ihres Mannes. Zur zunehmenden wirtschaftlichen Zerrüttung kamen Liebschaften, mit Jessie Laussot und vor allem mit Mathilde Wesendonk, die eben gerade für "Tristan" die wesentliche Inspiratorin war. Minnas Gesundheit wurde allmählich unwiderruflich zerstört. Schon im Mai 1850 ruft sie aus: "Hat ein genialer Mann das Recht, auch ein Schuft zu sein?" Doch selbst nach zeitlich begrenzten Trennungen ist es immer Richard, der neue Versuche des Zusammenlebens organisiert. Man hat den Verdacht, dass für den Komponisten ein sado-masochistisches Bedürfnis bestand, Ehekrisen heraufzubeschwören, die Wagner in irgendeiner Form, möglicherweise auch kreativ förderlich waren. Die Zeche hat Minna bezahlt; sie ist, erst 53-jährig, dem seit der Zürcher Zeit nachweisbaren Herzleiden im Januar 1866 erlegen. Beeindruckend ist die schier überwältigende Menge des von Rieger recherchierten Materials und der auch aus entferntesten Quellen zusammengetragenen Zitate, von denen viele auch Kundigen zuvor nicht begegnet sind und die stets klug kommentiert werden. Nur wenige kleine Irrtümer sind zu vermerken, wenn z. B. 4000 Taler mit nur € 6000 viel zu niedrig gegengerechnet werden. - Das Buch ist für jeden Wagner-Freund ein Muss und für jeden kulturgeschichtlich Interessierten ein Gewinn. Eva Rieger: Minna und Richard Wagner. Stationen einer Liebe. Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 2003. 28.00 EUR http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=7334 © beim Autor und bei literaturkritik.de |
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